3. Dritter Aufzug ("Валькирия", либретто Рихарда Вагнера, третий акт)

DRITTER AUFZUG

Auf dem Gipfel eines Felsenberges. Rechts begrenzt ein Tannenwald die Szene. Links der Eingang einer Felshöhle, die einen natürlichen Saal bildet: darüber steigt der Fels zu seiner höchsten Spitze auf. Nach hinten ist die Aussicht gänzlich frei; höhere und niedere Felssteine bilden den Rand vor dem Abhange, der - wie anzunehmen ist - nach dem Hintergrund zu steil hinabführt. Einzelne Wolkenzüge jagen, wie vom Sturm getrieben, am Felsensaume vorbei

VORSPIEL UND ERSTE SZENE
Gerhilde, Ortlinde, Waltraute und Schwertleite, später Helmwige, Siegrune, Grimgerde, Rossweisse, Brünnhilde, Sieglinde, Gerhilde, Ortlinde, Waltraute und Schwertleite haben sich auf der Felsspitze, an und über der Höhle, gelagert, sie sind in voller Waffenrüstung

GERHILDE
zuhöchst gelagert und dem Hintergrunde zurufend, wo ein starkes Gewölk herzieht
Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha!
Helmwige! Hier! Hieher mit dem Ross!

HELMWIGES STIMME
im Hintergrunde
Hojotoho! Hojotoho! Heiaha!

In dem Gewölk bricht Blitzesglanz aus; eine Walküre zu Ross wird in ihm sichtbar: über ihrem Sattel hängt ein erschlagener Krieger. Die Erscheinung zieht, immer näher, am Felsensaume von links nach rechts vorbei

GERHILDE, WALTRAUTE UND SCHWERTLEITE
der Ankommenden entgegenrufend
Heiaha! Heiaha!

Die Wolke mit der Erscheinung ist rechts hinter dem Tann verschwunden

ORTLINDE
in den Tann hineinrufend
Zu Ortlindes Stute stell deinen Hengst:
mit meiner Grauen grast gern dein Brauner!

WALTRAUTE
hineinrufend
Wer hängt dir im Sattel?

HELMWIGE
aus dem Tann auftretend
Sintolt, der Hegeling!

SCHWERTLEITE
Führ' deinen Brauen fort von der Grauen:
Ortlindes Mähre trägt Wittig, den Irming!

GERHILDE
ist etwas näher herabgestiegen
Als Feinde nur sah ich Sintolt und Wittig!

ORTLINDE
springt auf
Heiaha! Die Stute stösst mir der Hengst!
Sie läuft in den Tann

Schwertleite, Gerhilde und Helmwige lachen laut auf

GERHILDE
Der Recken Zwist entzweit noch die Rosse!

HELMWIGE
in den Tann zurückrufend
Ruhig, Brauner!
Brich nicht den Frieden!

WALTRAUTE
auf der Höhe, wo sie für Gerhilde die Wacht übernommen, nach rechts in den Hintergrund rufend
Hoioho! Hoioho!
Siegrune, hier! Wo säumst du so lang?
Sie lauscht nach rechts

SIEGRUNES STIMME
von der rechten Seite des Hintergrundes her
Arbeit gab's!
Sind die andren schon da?

SCHWERTLEITE UND WALTRAUTE
nach rechts in den Hintergrund rufend
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!

GERHILDE
Heiaha!

Ihre Gebärden sowie ein heller Glanz hinter dem Tann zeigen an, dass soeben Siegrune dort angelangt ist. Aus der Tiefe hört man zwei Stimmen zugleich

GRIMGERDE UND ROSSWEISSE
links im Hintergrunde
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!

WALTRAUTE
nach links
Grimgerd' und Rossweisse!

GERHILDE
ebenso
Sie reiten zu zwei.

In einem blitzerglänzenden Wolkenzuge, der von links her vorbeizieht, erscheinen Grimgerde und Rossweisse, ebenfalls auf Rossen, jede einen Erschlagenen im Sattel führend. Helmwige, Ortlinde und Siegrune sind aus dem Tann getreten und winken vom Felsensaume den Ankommenden zu

HELMWIGE, ORTLINDE UND SIEGRUNE
Gegrüsst, ihr Reisige!
Rossweiss' und Grimgerde!

ROSSWEISSES UND GRIMGERDES STIMMEN
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!

Die Erscheinung verschwindet hinter dem Tann

DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN
Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha!

GERHILDE
in den Tann rufend
In Wald mit den Rossen zu Weid' und Rast!

ORTLINDE
ebenfalls in den Tann rufend
Führet die Mähren fern von einander,
bis unsrer Helden Hass sich gelegt!

Die Walküren lachen

HELMWIGE
während die anderen lachen
Der Helden Grimm büsste schon die Graue!

Die Walküren lachen

ROSSWEISSE UND GRIMGERDE
aus dem Tann tretend
Hojotoho! Hojotoho!

DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN
Willkommen! Willkommen!

SCHWERTLEITE
Wart ihr Kühnen zu zwei?

GRIMGERDE
Getrennt ritten wir und trafen uns heut'.

ROSSWEISSE
Sind wir alle versammelt, so säumt nicht lange:
nach Walhall brechen wir auf,
Wotan zu bringen die Wal.

HELMWIGE
Acht sind wir erst: eine noch fehlt.

GERHILDE
Bei dem braunen Wälsung
weilt wohl noch Brünnhilde.

WALTRAUTE
Auf sie noch harren müssen wir hier:
Walvater gäb' uns grimmigen Gruss,
säh' ohne sie er uns nahn!

SIEGRUNE
auf der Felswarte, von wo sie hinausspäht
Hojotoho! Hojotoho!
in den Hintergrund rufend
Hieher! Hieher!
zu den anderen
In brünstigem Ritt
jagt Brünnhilde her.

DIE ACHT WALKÜREN
alle eilen auf die Warte
Hojotoho! Hojotoho!
Brünnhilde! Hei!

Sie spähen mit wachsender Verwunderung

WALTRAUTE
Nach dem Tann lenkt sie das taumelnde Ross.

GRIMGERDE
Wie schnaubt Grane vom schnellen Ritt!

ROSSWEISSE
So jach sah ich nie Walküren jagen!

ORTLINDE
Was hält sie im Sattel?

HELMWIGE
Das ist kein Held!

SIEGRUNE
Eine Frau führt sie!

GERHILDE
Wie fand sie die Frau?

SCHWERTLEITE
Mit keinem Gruss grüsst sie die Schwestern!

WALTRAUTE
hinabrufend
Heiaha! Brünnhilde! Hörst du uns nicht?

ORTLINDE
Helft der Schwester
vom Ross sich schwingen!

Gerhilde und Helmwige stürzen in den Tann. Siegrune und Rossweisse laufen ihnen nach

HELMWIGE, GERHILDE, SIEGRUNE, ROSSWEISSE
Hojotoho! Hojotoho!

ORTLINDE, WALTRAUTE, GRIMGERDE, SCHWERTLEITE
Heiaha!

WALTRAUTE
in den Tann blickend
Zu Grunde stürzt Grane, der Starke!

GRIMGERDE
Aus dem Sattel hebt sie hastig das Weib!

ORTLINDE, WALTRAUTE, GRIMGERDE, SCHWERTLEITE
alle in den Tann laufend
Schwester! Schwester! Was ist geschehn?

Alle Walküren kehren auf die Bühne zurück; mit ihnen kommt Brünnhilde, Sieglinde unterstützend und hereingeleitend

BRÜNNHILDE
atemlos
Schützt mich und helft in höchster Not!

DIE ACHT WALKÜREN
Wo rittest du her in rasender Hast?
So fliegt nur, wer auf der Flucht!

BRÜNNHILDE
Zum erstenmal flieh' ich und bin verfolgt:
Heervater hetzt mir nach!

DIE ACHT WALKÜREN
heftig erschreckend
Bist du von Sinnen? Sprich! Sage uns! Wie?
Verfolgt dich Heervater?
Fliehst du vor ihm?

BRÜNNHILDE
wendet sich ängstlich, um zu spähen, und kehrt wieder zurück
O Schwestern, späht von des Felsens Spitze!
Schaut nach Norden, ob Walvater naht!
Ortlinde und Waltraute springen auf die Felsenspitze zur Warte
Schnell! Seht ihr ihn schon?

ORTLINDE
Gewittersturm naht von Norden.

WALTRAUTE
Starkes Gewölk staut sich dort auf!

DIE WEITEREN SECHS WALKÜREN
Heervater reitet sein heiliges Ross!

BRÜNNHILDE
Der wilde Jäger, der wütend mich jagt,
er naht, er naht von Norden!
Schützt mich, Schwestern! Wahret dies Weib!

SECHS WALKÜREN
Was ist mit dem Weibe?

BRÜNNHILDE
Hört mich in Eile:
Sieglinde ist es, Siegmunds Schwester und Braut:
gegen die Wälsungen
wütet Wotan in Grimm;
dem Bruder sollte Brünnhilde heut'
entziehen den Sieg;
doch Siegmund schützt' ich mit meinem Schild,
trotzend dem Gott!
Der traf ihn da selbst mit dem Speer:
Siegmund fiel;
doch ich floh fern mit der Frau;
sie zu retten, eilt' ich zu euch -
ob mich Bange auch
kleinmütig
ihr berget vor dem strafenden Streich!

SECHS WALKÜREN
in grösster Bestürzung
Betörte Schwester, was tatest du?
Wehe! Brünnhilde, wehe!
Brach ungehorsam
Brünnhilde Heervaters heilig Gebot?

WALTRAUTE
von der Warte
Nächtig zieht es von Norden heran.

ORTLINDE
ebenso
Wütend steuert hieher der Sturm.

ROSSWEISSE, GRIMGERDE, SCHWERTLEITE
dem Hintergrunde zugewendet
Wild wiehert Walvaters Ross.

HELMWIGE, GERHILDE, SCHWERTLEITE
Schrecklich schnaubt es daher!

BRÜNNHILDE
Wehe der Armen, wenn Wotan sie trifft:
den Wälsungen allen droht er Verderben! -
Wer leiht mir von euch das leichteste Ross,
das flink die Frau ihm entführ'?

SIEGRUNE
Auch uns rätst du rasenden Trotz?

BRÜNNHILDE
Rossweisse, Schwester,
leih' mir deinen Renner!

ROSSWEISSE
Vor Walvater floh der fliegende nie.

BRÜNNHILDE
Helmwige, höre!

HELMWIGE
Dem Vater gehorch' ich.

BRÜNNHILDE
Grimgerde! Gerhilde! Gönnt mir eu'r Ross!
Schwertleite! Siegrune! Seht meine Angst!
Seid mir treu, wie traut ich euch war:
rettet dies traurige Weib!

SIEGLINDE
die bisher finster und kalt vor sich hingestarrt, fährt, als Brünnhilde sie lebhaft - wie zum Schutze - umfasst, mit einer abwehrenden Gebärde auf
Nicht sehre dich Sorge um mich:
einzig taugt mir der Tod!
Wer hiess dich Maid,
dem Harst mich entführen?
Im Sturm dort hätt' ich den Streich empfah'n
von derselben Waffe, der Siegmund fiel:
das Ende fand ich
vereint mit ihm!
Fern von Siegmund - Siegmund, von dir! -
O deckte mich Tod, dass ich's denke!
Soll um die Flucht
dir, Maid, ich nicht fluchen,
so erhöre heilig mein Flehen:
stosse dein Schwert mir ins Herz!

BRÜNNHILDE
Lebe, o Weib, um der Liebe willen!
Rette das Pfand, das von ihm du empfingst:
stark und drängend
ein Wälsung wächst dir im Schoss!

SIEGLINDE
erschrickt zunächst heftig; sogleich strahlt aber ihr Gesicht in erhabener Freude auf
Rette mich, Kühne! Rette mein Kind!
Schirmt mich, ihr Mädchen, mit mächtigstem Schutz!

Immer finstereres Gewitter steigt im Hintergrunde auf: nahender Donner

WALTRAUTE
auf der Warte
Der Sturm kommt heran.

ORTLINDE
ebenso
Flieh', wer ihn fürchtet!

DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN
Fort mit dem Weibe, droht ihm Gefahr:
der Walküren keine wag' ihren Schutz!

SIEGLINDE
auf den Knien vor Brünnhilde
Rette mich, Maid! Rette die Mutter!

BRÜNNHILDE
mit lebhaftem Entschluss hebt sie Sieglinde auf
So fliehe denn eilig - und fliehe allein!
Ich bleibe zurück, biete mich Wotans Rache:
an mir zögr' ich den Zürnenden hier,
während du seinem Rasen entrinnst.

SIEGLINDE
Wohin soll ich mich wenden?

BRÜNNHILDE
Wer von euch Schwestern schweifte nach Osten?

SIEGRUNE
Nach Osten weithin dehnt sich ein Wald:
der Niblungen Hort entführte Fafner dorthin.

SCHWERTLEITE
Wurmesgestalt schuf sich der Wilde:
in einer Höhle hütet er Alberichs Reif!

GRIMGERDE
Nicht geheu'r ist's dort für ein hilflos' Weib.

BRÜNNHILDE
Und doch vor Wotans Wut schützt sie sicher der Wald:
ihn scheut der Mächt'ge und meidet den Ort.

WALTRAUTE
auf der Warte
Furchtbar fährt
dort Wotan zum Fels.

SECHS WALKÜREN
Brünnhilde, hör' seines Nahens Gebraus'!

BRÜNNHILDE
Sieglinde die Richtung weisend
Fort denn eile, nach Osten gewandt!
Mutigen Trotzes ertrag' alle Müh'n, -
Hunger und Durst, Dorn und Gestein;
lache, ob Not, ob Leiden dich nagt!
Denn eines wiss' und wahr' es immer:
den hehrsten Helden der Welt
hegst du, o Weib, im schirmenden Schoss! -
Sie zieht die Stücken von Siegmunds Schwert unter ihrem Panzer hervor und überreicht sie SieglindeVerwahr' ihm die starken Schwertesstücken;
seines Vaters Walstatt entführt' ich sie glücklich:
der neugefügt das Schwert einst schwingt,
den Namen nehm' er von mir -
"Siegfried" erfreu' sich des Siegs!

SIEGLINDE
in grösster Rührung
O hehrstes Wunder! Herrlichste Maid!
Dir Treuen dank' ich heiligen Trost!
Für ihn, den wir liebten, rett' ich das Liebste:
meines Dankes Lohn lache dir einst!
Lebe wohl! Dich segnet Sieglindes Weh'!

Sie eilt rechts im Vordergrunde von dannen. - Die Felsenhöhe ist von schwarzen Gewitterwolken umlagert; furchtbarer Sturm braust aus dem Hintergrunde daher, wachsender Feuerschein rechts daselbst

WOTANS STIMME
Steh'! Brünnhild'!

Brünnhilde, nachdem sie eine Weile Sieglinde nachgesehen, wendet sich in den Hintergrund, blickt in den Tann und kommt angstvoll wieder vor

ORTLINDE UND WALTRAUTE
von der Warte herabsteigend
Den Fels erreichten Ross und Reiter!

ALLE ACHT WALKÜREN
Weh', Brünnhild'! Rache entbrennt!

BRÜNNHILDE
Ach, Schwestern, helft! Mir schwankt das Herz!
Sein Zorn zerschellt mich,
wenn euer Schutz ihn nicht zähmt.

DIE ACHT WALKÜREN
flüchten ängstlich nach der Felsenspitze hinauf; Brünnhilde lässt sich von ihnen nachziehen
Hieher, Verlor'ne! Lass dich nicht sehn!
Schmiege dich an uns und schweige dem Ruf!
Sie verbergen Brünnhilde unter sich und blicken ängstlich nach dem Tann, der jetzt von grellem Feuerschein erhellt wird, während der Hintergrund ganz finster geworden ist
Weh'! Wütend schwingt sich Wotan vom Ross! -
Hieher rast sein rächender Schritt!

ZWEITE SZENE
Die Vorigen, Wotan

Wotan tritt in höchster zorniger Aufgeregtheit aus dem Tann auf und schreitet vor der Gruppe der Walküren auf der Höhe, nach Brünnhilde spähend, heftig einher.

WOTAN
Wo ist Brünnhild', wo die Verbrecherin?
Wagt ihr, die Böse vor mir zu bergen?

DIE ACHT WALKÜREN
Schrecklich ertost dein Toben!
Was taten, Vater, die Töchter,
dass sie dich reizten zu rasender Wut?

WOTAN
Wollt ihr mich höhnen? Hütet euch, Freche!
Ich weiss: Brünnhilde bergt ihr vor mir.
Weichet von ihr, der ewig Verworfnen,
wie ihren Wert von sich sie warf!

ROSSWEISSE
Zu uns floh die Verfolgte.

DIE ACHT WALKÜREN
Unsern Schutz flehte sie an!
Mit Furcht und Zagen fasst sie dein Zorn:
für die bange Schwester bitten wir nun,
dass den ersten Zorn du bezähmst.
Lass dich erweichen für sie, zähm deinen Zorn!

WOTAN
Weichherziges Weibergezücht!
So matten Mut gewannt ihr von mir?
Erzog ich euch, kühn zum Kampfe zu zieh'n,
schuf ich die Herzen
euch hart und scharf,
dass ihr Wilden nun weint und greint,
wenn mein Grimm eine Treulose straft?
So wisst denn, Winselnde, was sie verbrach,
um die euch Zagen die Zähre entbrennt:
Keine wie sie
kannte mein innerstes Sinnen;
keine wie sie
wusste den Quell meines Willens!
Sie selbst war
meines Wunsches schaffender Schoss: -
und so nun brach sie den seligen Bund,
dass treulos sie meinem Willen getrotzt,
mein herrschend Gebot offen verhöhnt,
gegen mich die Waffe gewandt,
die mein Wunsch allein ihr schuf! -
Hörst du's, Brünnhilde? Du, der ich Brünne,
Helm und Wehr, Wonne und Huld,
Namen und Leben verlieh?
Hörst du mich Klage erheben,
und birgst dich bang dem Kläger,
dass feig du der Straf' entflöhst?

BRÜNNHILDE
tritt aus der Schar der Walküren hervor, schreitet demütigen, doch festen Schrittes von der Felsenspitze herab und tritt so in geringer Entfernung vor Wotan
Hier bin ich, Vater: gebiete die Strafe!

WOTAN
Nicht straf' ich dich erst:
deine Strafe schufst du dir selbst.
Durch meinen Willen warst du allein:
gegen ihn doch hast du gewollt;
meinen Befehl nur führtest du aus:
gegen ihn doch hast du befohlen;
Wunschmaid warst du mir:
gegen mich doch hast du gewünscht;
Schildmaid warst du mir:
gegen mich doch hobst du den Schild;
Loskieserin warst du mir:
gegen mich doch kiestest du Lose;
Heldenreizerin warst du mir:
gegen mich doch reiztest du Helden.
Was sonst du warst, sagte dir Wotan:
was jetzt du bist, das sage dir selbst!
Wunschmaid bist du nicht mehr;
Walküre bist du gewesen:
nun sei fortan, was so du noch bist!

BRÜNNHILDE
heftig erschreckend
Du verstössest mich? Versteh' ich den Sinn?

WOTAN
Nicht send' ich dich mehr aus Walhall;
nicht weis' ich dir mehr Helden zur Wal;
nicht führst du mehr Sieger
in meinen Saal:
bei der Götter trautem Mahle
das Trinkhorn nicht reichst du traulich mir mehr;
nicht kos' ich dir mehr den kindischen Mund;
von göttlicher Schar bist du geschieden,
ausgestossen aus der Ewigen Stamm;
gebrochen ist unser Bund;
aus meinem Angesicht bist du verbannt.

DIE ACHT WALKÜREN
verlassen, in aufgeregter Bewegung, ihre Stellung, indem sie sich etwas tiefer herabziehen
Wehe! Weh'!
Schwester, ach Schwester!

BRÜNNHILDE
Nimmst du mir alles, was einst du gabst?

WOTAN
Der dich zwingt, wird dir's entziehn!
Hieher auf den Berg banne ich dich;
in wehrlosen Schlaf schliess' ich dich fest:
der Mann dann fange die Maid,
der am Wege sie findet und weckt.

DIE ACHT WALKÜREN
kommen in höchster Aufregung von der Felsenspitze ganz herab und umgeben in ängstlichen Gruppen Brünnhilde, welche halb kniend vor Wotan liegt
Halt' ein, o Vater! Halt' ein den Fluch!
Soll die Maid verblühn und verbleichen dem Mann?
Hör unser Fleh'n! Schrecklicher Gott,
wende von ihr die schreiende Schmach!
Wie die Schwester träfe uns selber der Schimpf!

WOTAN
Hörtet ihr nicht, was ich verhängt?
Aus eurer Schar ist die treulose Schwester geschieden;
mit euch zu Ross durch die Lüfte nicht reitet sie länger;
die magdliche Blume verblüht der Maid;
ein Gatte gewinnt ihre weibliche Gunst;
dem herrischen Manne gehorcht sie fortan;
am Herde sitzt sie und spinnt,
aller Spottenden Ziel und Spiel.
Brünnhilde sinkt mit einem Schrei zu Boden; die Walküren weichen entsetzt mit heftigem Geräusch von ihrer Seite
Schreckt euch ihr Los? So flieht die Verlorne!
Weichet von ihr und haltet euch fern!
Wer von euch wagte bei ihr zu weilen,
wer mir zum Trotz
zu der Traurigen hielt' -
die Törin teilte ihr Los:
das künd' ich der Kühnen an!
Fort jetzt von hier; meidet den Felsen!
Hurtig jagt mir von hinnen,
sonst erharrt Jammer euch hier!

DIE ACHT WALKÜREN
Weh! Weh!

Die Walküren fahren mit wildem Wehschrei auseinander und stürzen in hastiger Flucht in den Tann. Schwarzes Gewölk lagert sich dicht am Felsenrande: man hört wildes Geräusch im Tann. Ein greller Blitzesglanz bricht in dem Gewölk aus; in ihm erblickt man die Walküren mit verhängtem Zügel, in eine Schar zusammengedrängt, wild davonjagen. Bald legt sich der Sturm; die Gewitterwolken verziehen sich allmählich. In der folgenden Szene bricht, bei endlich ruhigem Wetter, Abenddämmerung ein, der am Schlusse Nacht folgt

DRITTE SZENE
Wotan, Brünnhilde

Wotan und Brünnhilde, die noch zu seinen Füssen hingestreckt liegt, sind allein zurückgeblieben. Langes, feierliches Schweigen: unveränderte Stellung

BRÜNNHILDE
beginnt das Haupt langsam ein wenig zu erheben. Schüchtern beginnend und steigernd.
War es so schmählich, was ich verbrach,
dass mein Verbrechen so schmählich du bestrafst?
War es so niedrig, was ich dir tat,
dass du so tief mir Erniedrigung schaffst?
War es so ehrlos, was ich beging,
dass mein Vergehn nun die Ehre mir raubt?
Sie erhebt sich allmählich bis zur knienden Stellung
O sag', Vater! Sieh mir ins Auge:
schweige den Zorn, zähme die Wut,
und deute mir hell die dunkle Schuld,
die mit starrem Trotze dich zwingt,
zu verstossen dein trautestes Kind!

WOTAN
in unveränderter Stellung, ernst und düster
Frag' deine Tat, sie deutet dir deine Schuld!

BRÜNNHILDE
Deinen Befehl führte ich aus.

WOTAN
Befahl ich dir, für den Wälsung zu fechten?

BRÜNNHILDE
So hiessest du mich als Herrscher der Wal!

WOTAN
Doch meine Weisung nahm ich wieder zurück!

BRÜNNHILDE
Als Fricka den eignen Sinn dir entfremdet;
da ihrem Sinn du dich fügtest,
warst du selber dir Feind.

WOTAN
leise und bitter
Dass du mich verstanden, wähnt' ich,
und strafte den wissenden Trotz:
doch feig und dumm dachtest du mich!
So hätt' ich Verrat nicht zu rächen;
zu gering wärst du meinem Grimm?

BRÜNNHILDE
Nicht weise bin ich, doch wusst' ich das eine,
dass den Wälsung du liebtest.
Ich wusste den Zwiespalt, der dich zwang,
dies eine ganz zu vergessen.
Das andre musstest einzig du sehn,
was zu schaun so herb schmerzte dein Herz:
dass Siegmund Schutz du versagtest.

WOTAN
Du wusstest es so, und wagtest dennoch den Schutz?

BRÜNNHILDE
leise beginnend
Weil für dich im Auge das eine ich hielt,
dem, im Zwange des andren
schmerzlich entzweit,
ratlos den Rücken du wandtest!
Die im Kampfe Wotan den Rücken bewacht,
die sah nun das nur, was du nicht sahst: -
Siegmund musst' ich sehn.
Tod kündend trat ich vor ihn,
gewahrte sein Auge, hörte sein Wort;
ich vernahm des Helden heilige Not;
tönend erklang mir des Tapfersten Klage:
freiester Liebe furchtbares Leid,
traurigsten Mutes mächtigster Trotz!
Meinem Ohr erscholl, mein Aug' erschaute,
was tief im Busen das Herz
zu heilgem Beben mir traf.
Scheu und staunend stand ich in Scham.
Ihm nur zu dienen konnt' ich noch denken:
Sieg oder Tod mit Siegmund zu teilen:
dies nur erkannt' ich zu kiesen als Los! -
Der diese Liebe mir ins Herz gehaucht,
dem Willen, der dem Wälsung mich gesellt,
ihm innig vertraut, trotzt' ich deinem Gebot.

WOTAN
So tatest du, was so gern zu tun ich begehrt,
doch was nicht zu tun die Not zwiefach mich zwang?
So leicht wähntest du Wonne des Herzens erworben,
wo brennend Weh' in das Herz mir brach,
wo grässliche Not
den Grimm mir schuf,
einer Welt zuliebe der Liebe Quell
im gequälten Herzen zu hemmen?
Wo gegen mich selber
ich sehrend mich wandte,
aus Ohnmachtschmerzen
schäumend ich aufschoss,
wütender Sehnsucht sengender Wunsch
den schrecklichen Willen mir schuf,
in den Trümmern der eignen Welt
meine ew'ge Trauer zu enden: -
da labte süss dich selige Lust;
wonniger Rührung üppigen Rausch
enttrankst du lachend der Liebe Trank,
als mir göttlicher Not nagende Galle gemischt?
Deinen leichten Sinn lass dich denn leiten:
von mir sagtest du dich los.
Dich muss ich meiden,
gemeinsam mit dir
nicht darf ich Rat mehr raunen;
getrennt, nicht dürfen
traut wir mehr schaffen:
so weit Leben und Luft
darf der Gott dir nicht mehr begegnen!

BRÜNNHILDE
Wohl taugte dir nicht die tör'ge Maid,
die staunend im Rate
nicht dich verstand,
wie mein eigner Rat
nur das eine mir riet:
zu lieben, was du geliebt. -
Muss ich denn scheiden und scheu dich meiden,
musst du spalten, was einst sich umspannt,
die eigne Hälfte fern von dir halten,
dass sonst sie ganz dir gehörte,
du Gott, vergiss das nicht!
Dein ewig Teil nicht wirst du entehren,
Schande nicht wollen, die dich beschimpft:
dich selbst liessest du sinken,
sähst du dem Spott mich zum Spiel!

WOTAN
Du folgtest selig der Liebe Macht:
folge nun dem, den du lieben musst!

BRÜNNHILDE
Soll ich aus Walhall scheiden,
nicht mehr mit dir schaffen und walten,
dem herrischen Manne gehorchen fortan:
dem feigen Prahler gib mich nicht preis!
Nicht wertlos sei er, der mich gewinnt.

WOTAN
Von Walvater schiedest du -
nicht wählen darf er für dich.

BRÜNNHILDE
leise mit vertraulicher Heimlichkeit
Du zeugtest ein edles Geschlecht;
kein Zager kann je ihm entschlagen:
der weihlichste Held - ich weiss es -
entblüht dem Wälsungenstamm.

WOTAN
Schweig' von dem Wälsungenstamm!
Von dir geschieden, schied ich von ihm:
vernichten musst' ihn der Neid!

BRÜNNHILDE
Die von dir sich riss, rettete ihn.
heimlich
Sieglinde hegt die heiligste Frucht;
in Schmerz und Leid, wie kein Weib sie gelitten,
wird sie gebären,
was bang sie birgt.

WOTAN
Nie suche bei mir Schutz für die Frau,
noch für ihres Schosses Frucht!

BRÜNNHILDE
heimlich
Sie wahret das Schwert, das du Siegmund schufest.

WOTAN
heftig
Und das ich ihm in Stücken schlug!
Nicht streb', o Maid, den Mut mir zu stören;
erwarte dein Los, wie sich's dir wirft;
nicht kiesen kann ich es dir!
Doch fort muss ich jetzt, fern mich verziehn;
zuviel schon zögert' ich hier;
von der Abwendigen wend' ich mich ab;
nicht wissen darf ich, was sie sich wünscht:
die Strafe nur muss vollstreckt ich sehn!

BRÜNNHILDE
Was hast du erdacht, dass ich erdulde?

WOTAN
In festen Schlaf verschliess' ich dich:
wer so die Wehrlose weckt,
dem ward, erwacht, sie zum Weib!

BRÜNNHILDE
stürzt auf ihre Knie
Soll fesselnder Schlaf fest mich binden,
dem feigsten Manne zur leichten Beute:
dies eine muss du erhören,
was heil'ge Angst zu dir fleht!
Die Schlafende schütze mit scheuchenden Schrecken,
dass nur ein furchtlos freiester Held
hier auf dem Felsen einst mich fänd'!

WOTAN
Zu viel begehrst du, zu viel der Gunst!

BRÜNNHILDE
seine Knie umfassend
Dies eine musst du erhören!
Zerknicke dein Kind, das dein Knie umfasst;
zertritt die Traute, zertrümmre die Maid,
ihres Leibes Spur zerstöre dein Speer:
doch gib, Grausamer, nicht
der grässlichsten Schmach sie preis!
mit wilder Begeisterung
Auf dein Gebot entbrenne ein Feuer;
den Felsen umglühe lodernde Glut;
es leck' ihre Zung', es fresse ihr Zahn
den Zagen, der frech sich wagte,
dem freislichen Felsen zu nahn!

WOTAN
überwältigt und tief ergriffen, wendet sich lebhhaft zu Brünnhilde, erhebt sie von den Knien und blickt ihr gerührt in das Auge
Leb' wohl, du kühnes, herrliches Kind!
Du meines Herzens heiligster Stolz!
Leb' wohl! Leb' wohl! Leb' wohl!
sehr leidenschaftlich
Muss ich dich meiden,
und darf nicht minnig
mein Gruss dich mehr grüssen;
sollst du nun nicht mehr neben mir reiten,
noch Met beim Mahl mir reichen;
muss ich verlieren dich, die ich liebe,
du lachende Lust meines Auges:
ein bräutliches Feuer soll dir nun brennen,
wie nie einer Braut es gebrannt!
Flammende Glut umglühe den Fels;
mit zehrenden Schrecken
scheuch' es den Zagen;
der Feige fliehe Brünnhildes Fels! -
Denn einer nur freie die Braut,
der freier als ich, der Gott!
Brünnhilde sinkt, gerührt und begeistert, an Wotans Brust; er hält sie lange umfangen. Sie schlägt das Haupt wieder zurück und blickt, immer noch ihn umfassend, feierlich ergriffen Wotan in das Auge
Der Augen leuchtendes Paar,
das oft ich lächelnd gekost,
wenn Kampfeslust ein Kuss dir lohnte,
wenn kindisch lallend der Helden Lob
von holden Lippen dir floss:
dieser Augen strahlendes Paar,
das oft im Sturm mir geglänzt,
wenn Hoffnungssehnen das Herz mir sengte,
nach Weltenwonne mein Wunsch verlangte
aus wild webendem Bangen:
zum letztenmal
letz' es mich heut'
mit des Lebewohles letztem Kuss!
Dem glücklichen Manne
glänze sein Stern:
dem unseligen Ew'gen
muss es scheidend sich schliessen.
Er fasst ihr Haupt in beide Hände
Denn so kehrt der Gott sich dir ab,
so küsst er die Gottheit von dir!
Er küsst sie lange auf die Augen. Sie sinkt mit geschlossenen Augen, sanft ermattend, in seinen Armen zurück. Er geleitet sie zart auf einen niedrigen Mooshügel zu liegen, über den sich eine breitästige Tanne ausstreckt. Er betrachtet sie und schliesst ihr den Helm: sein Auge weilt dann auf der Gestalt der Schlafenden, die er mit dem grossen Stahlschilde der Walküre ganz zudeckt. Langsam kehrt er sich ab, mit einem schmerzlichen Blicke wendet er sich noch einmal um. Dann schreitet er mit feierlichem Entschlusse in die Mitte der Bühne und kehrt seines Speeres Spitze gegen einen mächtigen Felsstein
Loge, hör'! Lausche hieher!
Wie zuerst ich dich fand, als feurige Glut,
wie dann einst du mir schwandest,
als schweifende Lohe;
wie ich dich band, bann ich dich heut'!
Herauf, wabernde Lohe,
umlodre mir feurig den Fels!
Er stösst mit dem Folgenden dreimal mit dem Speer auf den Stein
Loge! Loge! Hieher!
Dem Stein entfährt ein Feuerstrahl, der zur allmählich immer helleren Flammenglut anschwillt. Lichte Flackerlohe bricht aus. Lichte Brunst umgibt Wotan mit wildem Flackern. Er weist mit dem Speere gebieterisch dem Feuermeere den Umkreis des Felsenrandes zur Strömung an; alsbald zieht es sich nach dem Hintergrunde, wo es nun fortwährend den Bergsaum umlodert
Wer meines Speeres Spitze fürchtet,
durchschreite das Feuer nie!

Er streckt den Speer wie zum Banne aus, dann blickt er schmerzlich auf Brünnhilde zurück, wendet sich langsam zum Gehen und blickt noch einmal zurück, ehe er durch das Feuer verschwindet. Der Vorhang fällt