Richard Wagner. Lohengrin. Erster Aufzug

Richard Wagner

Lohengrin

Libretto

Personen:

Heinrich der Vogler, deutscher Konig – Bass
Lohengrin – Tenor
Elsa von Brabant – Sopran
Herzog Gottfried, ihr Bruder
Friedrich von Telramund, brabantischer Graf – Bariton
Ortrud, seine Gemahlin – Sopran
Der Heerrufer des Konigs – Bass
Vier brabantische Edle – Tenor und Bass
Vier Edelknaben – Sopran und Alt
Sachsische und thuringische Grafen und Edle. Brabantische Grafen und Edle. Edelfrauen. Edelknahen. Mannen. Frauen. Knechte.

Schauplatz:
Antwerpen, Erste Halfe des zehnten Jahrhunderts

Erster Aufzug: Eine Aue am Ufer der Schelde bei Antwerpen
Zweiter Aufzug: In der Burg von Antwerpen
Dritter Aufzung: Elsas Brautgemach; dann am Ufer der Schelde

ERSTER AUFZUG

 
Eine Aue am Ufer der Schelde bei Antwerpen. Der Fluß macht dem Hintergrund zu eine Biegung, so daß rechts durch einige Bäume der Blick auf ihn unterbrochen wird und man erst in weiterer Entfernung ihn wieder sehen kann.

(Im Vordergrund sitzt König Heinrich unter einer mächtigen alten Eiche (Gerichtseiche), ihm zunächst stehen sächsische und thüringische Grafen, Edle und Reisige, welche des Königs Heerbann bilden. Gegenüber stehen die brabantischen Grafen und Edlen, Reisige und Volk, an ihrer Spitze Friedrich von Telramund, zu dessen Seite Ortrud. Die Mitte bildet ein offener Kreis. Der Heerrufer des Königs und vier Hornbläser schreiten in die Mitte. Die Bläser blasen den Königsruf)

Der Heerrufer
Hört! Grafen, Edle, Freie von Brabant!
Heinrich, der Deutschen König, kam zur Statt,
mit euch zu dingen nach des Reiches Recht.
Gebt ihr nun Fried' und Folge dem Gebot?

Die Brabanter
Wir geben Fried' und Folge dem Gebot.
Willkommen, willkommen, König, in Brabant!

König Heinrich
(erhebt sich)
Gott grüß' euch, liebe Männer von Brabant!
Nicht müßig tat zu euch ich diese Fahrt!
Der Not des Reiches seid von mir gemahnt!
Soll ich euch erst der Drangsal Kunde sagen,
die deutsches Land so oft aus Osten traf?
In fernster Mark hießt Weib und Kind ihr beten:
»Herr Gott, bewahr uns vor der Ungarn Wut!«
Doch mir, des Reiches Haupt, mußt' es geziemen,
solch wilder Schmach ein Ende zu ersinnen;
als Kampfes Preis gewann ich Frieden auf
neun Jahr - ihn nützt' ich zu des Reiches Wehr;
beschirmte Städt' und Burgen ließ ich baun,
den Heerbann übte ich zum Widerstand.
Zu End' ist nun die Frist, der Zins versagt -
mit wildem Drohen rüstet sich der Feind.
Nun ist es Zeit, des Reiches Ehr' zu wahren;
ob Ost, ob West, das gelte allen gleich!
Was deutsches Land heißt, stelle Kampfesscharen,
dann schmäht wohl niemand mehr das Deutsche Reich!

Die Sachsen und Thüringer
Wohlauf! Mit Gott für Deutschen Reiches Ehr!

Der König
(hat sich wieder gesetzt)
Komm' ich zu euch nun, Männer von Brabant,
zur Heeresfolg' nach Mainz euch zu entbieten,
wie muß mit Schmerz und Klagen ich ersehn,
daß ohne Fürsten ihr in Zwietracht lebt!
Verwirrung, wilde Fehde wird mir kund;
drum ruf ich dich, Friedrich von Telramund!
Ich kenne dich als aller Tugend Preis,
jetzt rede, daß der Drangsal Grund ich weiß.

Friedrich
Dank, König, dir, daß du zu richten kamst!
Die Wahrheit künd' ich, Untreu' ist mir fremd.
Zum Sterben kam der Herzog von Brabant,
und meinem Schutz empfahl er seine Kinder,
Elsa, die Jungfrau, und Gottfried, den Knaben;
mit Treue pflog ich seiner großen Jugend,
sein Leben war das Kleinod meiner Ehre.
Ermiß nun, König, meinen grimmen Schmerz,
als meiner Ehre Kleinod mir geraubt!
Lustwandelnd führte Elsa den Knaben einst
zum Wald, doch ohne ihn kehrte sie zurück;
mit falscher Sorge frug sie nach dem Bruder,
da sie, von ungefähr von ihm verirrt,
bald seine Spur - so sprach sie - nicht mehr fand.
Fruchtlos war all Bemühn um den Verlornen;
als ich mit Drohen nun in Elsa drang,
da ließ in bleichem Zagen und Erbeben
der gräßlichen Schuld Bekenntnis sie uns sehn.
Es faßte mich Entsetzen vor der Magd;
dem Recht auf ihre Hand, vom Vater mir
verliehn, entsagt' ich willig da und gern
und nahm ein Weib, das meinem Sinn gefiel:

(Er stellt Ortrud vor, die sich vor dem König verneigt)

Ortrud, Radbods, des Friesenfürsten Sproß.

(Er schreitet feierlich einige Schritte vor)

Nun führ' ich Klage wider Elsa von
Brabant; des Brudermordes zeih' ich sie.
Dies Land doch sprech' ich für mich an mit Recht,
da ich der Nächste von des Herzogs Blut,
mein Weib dazu aus dem Geschlecht, das einst
auch diesen Landen seine Fürsten gab.
Du hörst die Klage, König! Richte recht!

Alle Männer
Ha, schwerer Schuld zeiht Telramund!
Mit Grausen werd' ich der Klage kund!

Der König
Welch fürchterliche Klage sprichst du aus!
Wie wäre möglich solche große Schuld?

Friedrich
O Herr, traumselig ist die eitle Magd,
die meine Hand voll Hochmut von sich stieß.
Geheimer Buhlschaft klag' ich drum sie an:
Sie wähnte wohl, wenn sie des Bruders ledig,
dann könnte sie als Herrin von Brabant
mit Recht dem Lehnsmann ihre Hand verwehren
und offen des geheimen Buhlen pflegen.

Der König
(durch eine ernste Gebärde Friedrichs Eifer unterbrechend)
Ruft die Beklagte her!
Beginnen soll nun das Gericht!
Gott laß mich weise sein!

Der Heerrufer
(schreitet feierlich in die Mitte)
Soll hier nach Recht und Macht Gericht gehalten sein?

Der König
(hängt mit Feierlichkeit den Schild an der Eiche auf)
Nicht eh'r soll bergen mich der Schild,
bis ich gerichtet streng und mild!

Alle Männer
(die Schwerter entblößend, welche die Sachsen und Thüringer vor sich in die Erde stoßen, die Brabanter flach vor sich niederstrecken)
Nicht eh'r zur Scheide kehr' das Schwert,
bis ihm durch Urteil Recht gewährt!

Der Heerrufer
Wo ihr des Königs Schild gewahrt,
dort Recht durch Urteil nun erfahrt!
Drum ruf ich klagend laut und hell:
Elsa, erscheine hier zur Stell'!

(Elsa tritt auf in einem weißen, sehr einfachen Gewande; sie verweilt eine Zeitlang im Hintergrunde, dann schreitet sie sehr langsam und mit großer Verschämtheit der Mitte des Vordergrundes zu; Frauen, sehr einfach weiß gekleidet, folgen ihr, diese bleiben aber zunächst im Hintergrunde an der äußersten Grenze des Gerichtskreises)

Die Männer
Seht hin! Sie naht, die hart Beklagte!
Ha! Wie erscheint sie so licht und rein!
Der sie so schwer zu zeihen wagte,
wie sicher muß der Schuld er sein!

Der König
Bist du es, Elsa von Brabant?

(Elsa neigt das Haupt bejahend)

Erkennst du mich als deinen Richter an?

(Elsa wendet ihr Haupt nach dem König, blickt ihm ins Auge und bejaht dann mit vertrauensvoller Gebärde)

So frage ich weiter:
Ist die Klage dir bekannt,
die schwer hier wider dich erhoben?

(Elsa erblickt Friedrich und Ortrud, erbebt, neigt traurig das Haupt und bejaht)

Was entgegnest du der Klage?

(Elsa durch eine Gebärde: »Nichts!«)

So bekennst du deine Schuld?

Elsa
(blickt eine Zeitlang traurig vor sich hin)
Mein armer Bruder!

Alle Männer
Wie wunderbar! Welch seltsames Gebaren!

Der König
Sag, Elsa! Was hast du mir zu vertraun?

Elsa
(in ruhiger Verklärung vor sich hinblickend)
Einsam in trüben Tagen
hab' ich zu Gott gefleht,
des Herzens tiefstes Klagen
ergoß ich im Gebet.
Da drang aus meinem Stöhnen
ein Laut so klagevoll,
der zu gewalt'gem Tönen
weit in die Lüfte schwoll:
Ich hört' ihn fernhin hallen,
bis kaum mein Ohr er traf;
mein Aug' ist zugefallen,
ich sank in süßen Schlaf.

Alle Männer
Wie sonderbar! Träumt sie? Ist sie entrückt?

Der König
(als wolle er Elsa aus dem Traume wecken)
Elsa, verteid'ge dich vor dem Gericht!

(Elsas Mienen gehen von dem Ausdruck träumerischen Entrücktseins zu dem schwärmerischer Verklärung über)

Elsa
In Lichter Waffen Scheine
ein Ritter nahte da,
so tugendlicher Reine
ich keinen noch ersah:
Ein golden Horn zur Hüften,
gelehnet auf sein Schwert -
so trat er aus den Lüften
zu mir, der Recke wert;
mit züchtigem Gebaren
gab Tröstung er mir ein;
des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein!

Alle Männer
Bewahre uns des Himmels Huld,
daß klar wir sehen, wer hier schuld!

Der König
Friedrich, du ehrenwerter Mann,
bedenke wohl, wen klagst du an?

Friedrich
Mich irret nicht ihr träumerischer Mut;
ihr hört, sie schwärmt von einem Buhlen!
Wess' ich sie zeih', dess' hab' ich sichren Grund.
Glaubwürdig ward ihr Frevel mir bezeugt;
doch eurem Zweifel durch ein Zeugnis wehren,
das stünde wahrlich übel meinem Stolz!
Hier steh' ich, hier mein Schwert! Wer wagt von euch,
zu streiten wider meiner Ehre Preis!

Die Brabanter
Keiner von uns! Wir streiten nur für dich!

Friedrich
Und, König, du! Gedenkst du meiner Dienste,
wie ich im Kampf den wilden Dänen schlug?

Der König
Wie schlimm, ließ' ich von dir daran mich mahnen!
Gern geb' ich dir der höchsten Tugend Preis;
in keiner andern Hut, als in der deinen,
möcht' ich die Lande wissen. Gott allein
soll jetzt in dieser Sache noch entscheiden!

Alle Männer
Zum Gottesgericht!
Zum Gottesgericht!
Wohlan!

Der König
Dich frag' ich, Friedrich, Graf von Telramund!
Willst du durch Kampf auf Leben und auf Tod
im Gottesgericht vertreten deine Klage?

Friedrich
Ja!

Der König
Und dich nun frag' ich, Elsa von Brabant!
Willst du, daß hier auf Leben und auf Tod
im Gottesgericht ein Kämpe für dich streite?

Elsa
(ohne die Augen aufzuschlagen)
Ja!

Der König
Wen wählest du zum Streiter?

Friedrich
Vernehmet jetzt
den Namen ihres Buhlen!

Die Brabanter
Merket auf!

Elsa
(hat Stellung und schwärmerische Miene nicht verlassen; alles blickt mit Gespanntheit auf sie)
Des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein!

(Ohne sich umzublicken)

Hört, was dem Gottgesandten
ich biete für Gewähr:
In meines Vaters Landen
die Krone trage er;
mich glücklich soll ich preisen,
nimmt er mein Gut dahin -
will er Gemahl mich heißen,
geb' ich ihm, was ich bin!

Alle Männer
(unter sich)
Ein schöner Preis, stünd' er in Gottes Hand!
Wer für ihn stritt', wohl setzt' er schweres Pfand!

Der König
Im Mittag hoch steht schon die Sonne:
So ist es Zeit, daß nun der Ruf ergeh'!

(Der Heerrufer tritt mit den vier Heerhornbläsern vor, die er, den vier Himmelsgegenden zugewendet, an die äußersten Grenzen des Gerichtskreises vorschreiten und so den Ruf blasen läßt)

Der Heerrufer
Wer hier im Gotteskampf zu streiten kam
für Elsa von Brabant, der trete vor,
der trete vor!

(Langes Stillschweigen. Elsa, welche bisher in ununterbrochen ruhiger Haltung verweilt, zeigt entstehende Unruhe der Erwartung)

Alle Männer
Ohn' Antwort ist der Ruf verhallt!

Friedrich
(auf Elsa deutend)
Gewahrt, ob ich sie fälschlich schalt?

Alle Männer
Um ihre Sache steht es schlecht!

Friedrich
Auf meiner Seite bleibt das Recht!

Elsa
(etwas näher zum König tretend)
Mein lieber König, laß dich bitten,
noch einen Ruf an meinen Ritter!
Wohl weilt er fern und hört' ihn nicht.

Der König
(zum Heerrufer)
Noch einmal rufe zum Gericht!

(Auf das Zeichen des Heerrufers richten die Heerhornbläser sich wieder nach den vier Himmelsgegenden)

Der Heerrufer
Wer hier im Gotteskampf zu streiten kam
für Elsa von Brabant, der trete vor,
der trete vor!

(Wiederum langes, gespanntes Stillschweigen)

Alle Männer
In düstrem Schweigen richtet Gott!

(Elsa sinkt zu inbrünstigem Gebet auf die Knie. Die Frauen, in Besorgnis um ihre Herrin, treten etwas näher in den Vordergrund)

Elsa
Du trugest zu ihm meine Klage,
zu mir trat er auf dein Gebot:
O Herr, nun meinem Ritter sage,
daß er mir helf in meiner Not!

Die Frauen
(auf die Knie sinkend)
Herr! Sende Hilfe ihr!
Herr Gott! Höre uns!

Elsa
Laß mich ihn sehn, wie ich ihn sah,

(Mit freudig verklärter Miene)

wie ich ihn sah, sei er mir nah!

(Die auf einer Erhöhung dem Ufer des Flusses zunächststehenden Männer gewahren zuerst die Ankunft Lohengrins, welcher in einem Nachen, von einem Schwan gezogen, auf dem Flusse in der Ferne sichtbar wird. Die vom Ufer entfernter stehenden Männer im Vordergrunde wenden sich zunächst ohne ihren Platz zu verlassen mit immer regerer Neugier fragend an die dem Ufer näher stehenden; sodann verlassen sie den Vordergrund, um selbst am Ufer nachzusehen)

 
Die Männer
Seht! Seht! Welch ein seltsam Wunder! Wie? Ein Schwan?
Ein Schwan zieht einen Nachen dort heran!
Ein Ritter drin hoch aufgerichtet steht!
Wie glänzt sein Waffenschmuck! Das Aug' vergeht
vor solchem Glanz! Seht, näher kommt er schon heran!
An einer goldnen Kette zieht der Schwan!

(Auch die letzten eilen noch nach dem Hintergrunde; im Vordergrunde bleiben nur der König, Elsa, Friedrich, Ortrud und die Frauen. Von seinem erhöhten Platze aus überblickt der König alles; Friedrich und Ortrud sind durch Schreck und Staunen gefesselt; Elsa, die mit steigender Entzückung den Ausrufen der Männer gelauscht hat, verbleibt in der Mitte der Bühne; sie wagt gleichsam nicht, sich umzublicken. Die Männer stürzen in höchster Ergriffenheit wieder nach vorn)

Ein Wunder! Ein Wunder!
Ein Wunder ist gekommen,
ein unerhörtes, nie gesehnes Wunder!
Ein Wunder! Ein Wunder! usw.

Die Frauen
Dank, du Herr und Gott, der die Schwache beschirmet!

Elsa
(hat sich umgewandt und schreit bei Lohengrins Anblick laut auf)
Ha!

Alle Männer und Frauen
Sei gegrüßt, du gottgesandter Mann! usw.

(Der Nachen, vom Schwan gezogen, erreicht in der Mitte des Hintergrundes das Ufer; Lohengrin, in glänzender Silberrüstung, den Helm auf dem Haupte, den Schild im Rücken, ein kleines goldenes Horn zur Seite, steht, auf sein Schwert gelehnt, darin. Friedrich blickt in sprachlosem Entsetzen auf Lohengrin hin. Ortrud, die während des Gerichtes in kalter, stolzer Haltung verblieben, gerät beim Anblick des Schwans in tödlichen Schrecken. Sowie Lohengrin die erste Bewegung macht, den Kahn zu verlassen, tritt bei allen sogleich das gespannteste Stillschweigen ein)

Lohengrin
(neigt sich zum Schwan)
Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!
Zieh durch die weite Flut zurück,
dahin, woher mich trug dein Kahn,
kehr wieder nur zu unsrem Glück!
Drum sei getreu dein Dienst getan!
Leb wohl, leb wohl, mein lieber Schwan!

(Der Schwan wendet langsam den Nachen und schwimmt den Fluß zurück. Lohengrin sieht ihm eine Weile wehmütig nach)

Die Männer und Frauen
Wie faßt uns selig süßes Grauen!
Welch holde Macht hält uns gebannt!
Wie ist er schön und hehr zu schauen,
den solch ein Wunder trug ans Land!

(Lohengrin verläßt das Ufer und schreitet langsam und feierlich nach dem Vordergrund)

Lohengrin
(verneigt sich vor dem König)
Heil, König Heinrich! Segenvoll
mög' Gott bei deinem Schwerte stehn!
Ruhmreich und groß dein Name soll
von dieser Erde nie vergehn!

Der König
Hab Dank! Erkenn' ich recht die Macht,
die dich in dieses Land gebracht,
so nahst du uns von Gott gesandt?

Lohengrin
Zum Kampf für eine Magd zu stehn,
der schwere Klage angetan,
bin ich gesandt. Nun laßt mich sehn,
ob ich zu Recht sie treffe an.

(Er wendet sich etwas näher zu Elsa)

So sprich denn, Elsa von Brabant:
Wenn ich zum Streiter dir ernannt,
willst du wohl ohne Bang' und Graun
dich meinem Schutze anvertraun?

Elsa
(die, seitdem sie Lohengrin erblickte, wie in Zauber regungslos festgebannt war, sinkt, wie durch seine Ansprache erweckt, in überwältigend wonnigem Gefühle zu seinen Füßen)
Mein Held, mein Retter! Nimm mich hin;
dir geb' ich alles, was ich bin!

Lohengrin
Wenn ich im Kampfe für dich siege,
willst du, daß ich dein Gatte sei?

Elsa
Wie ich zu deinen Füßen liege,
geb' ich dir Leib und Seele frei.

Lohengrin
Elsa, soll ich dein Gatte heißen,
soll Land und Leut' ich schirmen dir,
soll nichts mich wieder von dir reißen,
mußt eines du geloben mir:
Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam' und Art!

Elsa
(fast bewußtlos)
Nie, Herr, soll mir die Frage kommen!

Lohengrin
Elsa! Hast du mich wohl vernommen?
Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam' und Art!

Elsa
(mit großer Innigkeit zu ihm aufblickend)
Mein Schirm! Mein Engel! Mein Erlöser,
der fest an meine Unschuld glaubt!
Wie gäb' es Zweifels Schuld, die größer,
als die an dich den Glauben raubt?
Wie du mich schirmst in meiner Not,
so halt' in Treu' ich dein Gebot!

Lohengrin
(ergriffen und entzückt sie an seine Brust erhebend)
Elsa! Ich liebe dich!

(Beide verweilen eine Zeitlang in der angenommenen Stellung)

Die Männer und Frauen
Welch holde Wunder muß ich sehen?
Ist's Zauber, der mir angetan?
Ich fühl' das Herze mir vergehen,
schau' ich den hehren, wonnevollen Mann!

Lohengrin
(geleitet Elsa zum König und übergibt sie dessen Hut, dann schreitet er feierlich in die Mitte des Kreises)
Nun hört! Euch, Volk und Edlen, mach' ich kund:
Frei aller Schuld ist Elsa von Brabant!
Daß falsch dein Klagen, Graf von Telramund,
durch Gottes Urteil werd' es dir bekannt!

Brabantische Edle
(erst einige, dann immer mehrere, heimlich zu Friedrich)
Steh ab vom Kampf! Wenn du ihn wagst,
zu siegen nimmer du vermagst!
Ist er von höchster Macht geschützt,
sag, was dein tapfres Schwert dir nützt?
Steh ab! Wir mahnen dich in Treu'!
Dein harter Unsieg, bittre Reu'!

Friedrich
(der bisher unverwandt und forschend sein Auge auf Lohengrin geheftet, mit leidenschaftlich schwankendem und endlich sich entscheidendem inneren Kampfe)
Viel lieber tot als feig!
Welch Zaubern dich auch hergeführt,
Fremdling, der mir so kühn erscheint,
dein stolzes Drohn mich nimmer rührt,
da ich zu lügen nie vermeint.
Den Kampf mit dir drum nehm' ich auf
und hoffe Sieg nach Rechtes Lauf!

Lohengrin
Nun, König, ordne unsern Kampf!

(Alles begibt sich in die erste Gerichtsstellung)

Der König
So tretet vor, zu drei für jeden Kämpfer,
und messet wohl den Ring zum Streite ab!

(Drei sächsische Edle treten für Lohengrin, drei brabantische für Friedrich vor, sie messen mit feierlichen Schritten den Kampfplatz aus und stecken ihn, einen vollständigen Ring bildend, durch ihre Speere ab)

Der Heerrufer
(in der Mitte des Kampfringes)
Nun höret mich und achtet wohl:
Den Kampf hier keiner stören soll!
Dem Hage bleibet abgewandt,
denn wer nicht wahrt des Friedens Recht,
der Freie büß' es mit der Hand,
mit seinem Haupte büß' es der Knecht!

Alle Männer
Der Freie büß' es mit der Hand,
mit seinem Haupte büß' es der Knecht!

Der Heerrufer
(zu Lohengrin und Friedrich)
Hört auch, ihr Streiter vor Gericht!
Gewahrt in Treue Kampfes Pflicht!
Durch bösen Zaubers List und Trug
stört nicht des Urteils Eigenschaft!
Gott richtet euch nach Recht und Fug,
so trauet ihm, nicht eurer Kraft!

Lohengrin und Friedrich
(zu beiden Seiten außerhalb des Kampfkreises stehend)
Gott richte mich nach Recht und Fug,
so trau' ich ihm, nicht meiner Kraft!

Der König
(mit großer Feierlichkeit in die Mitte vorschreitend)
Mein Herr und Gott, nun ruf ich dich,

(Alle entblößen das Haupt und lassen sich zur feierlichsten Andacht an)

daß du dem Kampf zugegen seist!
Durch Schwertes Sieg ein Urteil sprich,
das Trug und Wahrheit klar erweist!
Des Reinen Arm gib Heldenkraft,
des Falschen Stärke sei erschlafft!
So hilf uns, Gott, zu dieser Frist,
weil unsre Weisheit Einfalt ist!

Elsa und Lohengrin
Du kündest nun dein wahr Gericht,
mein Gott und Herr, drum zag' ich nicht! usw.

Ortrud
Ich baue fest auf seine Kraft,
die, wo er kämpft, ihm Sieg verschafft! usw.

Friedrich
Ich geh' in Treu vor dein Gericht!
Herr Gott, nun verlaß mein' Ehre nicht!

Der König
Mein Herr und Gott, dich rufe ich! usw.
So künde nun dein wahr Gericht!
Mein Herr und Gott, nun zögre nicht!

Der Heerrufer und alle Männer
Des Reinen Arm gib Heldenkraft usw.
So künde nun dein wahr' Gericht,
du Herr und Gott, nun zögre nicht!

Die Frauen
Segne ihn! Herr, mein Gott! Segne ihn!

(Alle treten unter großer feierlicher Aufmerksamkeit an ihre Plätze zurück. Die sechs Kampfzeugen bleiben bei ihren Speeren dem Ringe zunächst, die übrigen Männer stellen sich in geringerer Weite um ihn her. Elsa und die Frauen im Vordergrund unter der Eiche beim König. Auf des Heerrufers Zeichen blasen die Heerhornbläser den Kampfruf. Lohengrin und Friedrich vollenden ihre Waffenrüstung. Der König zieht sein Schwert und schlägt damit dreimal an den an der Eiche aufgehängten Schild. Beim ersten Schlage nehmen Lohengrin und Friedrich die Kampfstellung ein; beim zweiten ziehen sie die Schwerter und legen sich aus; beim dritten Schlage beginnen sie den Kampf. Lohengrin greift zuerst an. Nach mehreren ungestümen Gängen streckt er mit einem weitausgeholten Streiche seinen Gegner zu Boden. Friedrich versucht sich wieder zu erheben, taumelt einige Schritte zurück und stürzt zu Boden. Mit Friedrichs Fall ziehen die Sachsen und Thüringer ihre Schwerter aus der Erde, die Brabanter nehmen die ihrigen auf)

Lohengrin
(das Schwert auf Friedrichs Hals setzend)
Durch Gottes Sieg ist jetzt dein Leben mein:

(Von ihm ablassend)

Ich schenk' es dir, mögst du der Reu' es weihn!

(Der König nimmt seinen Schild von der Eiche. Alle Männer stoßen ihre Schwerter in die Scheiden. Die Kampfzeugen ziehen die Speere aus der Erde. Jubelnd brechen alle Edlen und Männer in den vorherigen Kampfkreis, so daß dieser von der Masse dicht erfüllt wird)

Alle Männer und Frauen
Sieg! Sieg! Sieg!
Heil! Heil dir, Heil!

Der König
(sein Schwert ebenfalls in die Scheide stoßend)
Sieg! Sieg!

Elsa
O fänd' ich Jubelweisen,
deinem Ruhme gleich,
dich würdig zu preisen,
an höchstem Lobe reich!
In dir muß ich vergehen,
vor dir schwind' ich dahin,
soll ich mich selig sehen,
nimm alles, was ich bin!

(Der König führt Elsa Lohengrin zu, sie sinkt an Lohengrins Brust)

Der König und die Männer
Ertöne, Siegesweise,
dem Helden laut zum höchsten Preise!
Ruhm deiner Fahrt!
Preis deinem Kommen!
Heil deiner Art,
Schützer der Frommen!
Du hast gewahrt
das Recht der Frommen,
Preis deinem Kommen,
Heil deiner Art!
Dich nur besingen wir,
dir schallen unsre Lieder!
Nie kehrt ein Held gleich dir
zu diesen Landen wieder!

Ortrud
(die Friedrichs Fall mit Wut gesehen, den finsteren Blick unverwandt auf Lohengrin geheftet)
Wer ist's, der ihn geschlagen,
durch den ich machtlos bin?

Der König
Preis deiner Fahrt!
Heil deiner Art!

Lohengrin
(Elsa von seiner Brust erhebend)
Den Sieg hab' ich erstritten
durch deine Rein' allein;
nun soll, was du gelitten,
dir reich vergolten sein! usw.

Die Frauen
Wo fänd' ich Jubelweisen,
seinem Ruhme gleich,
ihn würdig zu preisen,
an höchstem Lobe reich!
Du hast gewahrt usw.

Alle Männer
Du hast gewahrt usw.

Elsa
O fänd' ich Jubelweisen usw.

Der König
Heil sei deiner Fahrt usw.

Ortrud
Wer ist's, der ihn geschlagen usw.
Sollt' ich vor ihm verzagen,
wär' all mein Hoffen hin? usw.

Friedrich
(sich am Boden qualvoll windend)
Weh, mich hat Gott geschlagen,
durch ihn ich sieglos bin!
Am Heil muß ich verzagen,
mein Ruhm und Ehr' ist hin! usw.

(Friedrich sinkt zu Ortruds Füßen ohnmächtig zusammen. Junge Sachsen erheben Lohengrin auf seinen Schild und Brabanter Elsa auf den Schild des Königs, auf welchen zuvor mehrere ihre Mäntel ausgebreitet haben; so werden beide unter Jauchzen davongetragen)