Richard Wagner. Lohengrin. Dritter Aufzug

DRITTER AUFZUG

 

Das Brautgemach, in der Mitte des Hintergrundes das reichgeschmückte Brautbett; an einem offenen Erkerfenster ein niedriges Ruhebett. Musik hinter der Szene; der Gesang ist erst entfernt, dann näherkommend.

Brautlied der Männer und Frauen
Treulich geführt ziehet dahin,
wo euch der Segen der Liebe bewahr'!
Siegreicher Mut, Minnegewinn
eint euch in Treue zum seligsten Paar.
Streiter der Jugend, schreite voran!
Zierde der Jugend, schreite voran!
Rauschen des Festes seid nun entronnen,
Wonne des Herzens sei euch gewonnen!

(Rechts und links im Hintergrunde werden Türen geöffnet; rechts treten Frauen auf, welche Elsa, links die Männer mit dem Könige, welche Lohengrin geleiten. Edelknaben mit Lichtern voraus)

Duftender Raum, zur Liebe geschmückt,
nehm' euch nun auf, dem Glanze entrückt.
Treulich geführt ziehet nun ein,
wo euch der Segen der Liebe bewahr'!
Siegreicher Mut, Minne so rein
eint euch in Treue zum seligsten Paar.

(Als die beiden Züge in der Mitte der Bühne sich begegneten, ist Elsa von den Frauen Lohengrin zugeführt worden; sie umfassen sich und bleiben in der Mitte stehen. Edelknaben entkleiden Lohengrin des reichen Obergewandes, gürten ihm das Schwert ab und legen dieses am Ruhebette nieder; Frauen entkleiden Elsa ebenfalls ihres kostbaren Obergewandes. Acht Frauen umschreiten währenddessen langsam Lohengrin und Elsa)

Acht Frauen
(nach dem Umschreiten)
Wie Gott euch selig weihte,
zu Freuden weihn euch wir.

(Sie halten einen zweiten Umgang)
In Liebesglücks Geleite
denkt lang der Stunde hier!

(Der König umarmt und segnet Lohengrin und Elsa. Die Edelknaben mahnen zum Aufbruch. Die Züge ordnen sich wieder, und während des Folgenden schreiten sie an den Neuvermählten vorüber, so daß die Männer rechts, die Frauen links das Gemach verlassen)

Brautlied
Treulich bewacht bleibet zurück,
wo euch der Segen der Liebe bewahr'!
Siegreicher Mut, Minne und Glück
eint euch in Treue zum seligsten Paar.
Streiter der Tugend, bleibe daheim!
Zierde der Jugend, bleibe daheim!
Rauschen des Festes seid nun entronnen,
Wonne des Herzens sei euch gewonnen!
Duftender Raum, zur Liebe geschmückt,
nahm euch nun auf, dem Glanze entrückt.

(Die beiden Züge haben die Bühne gänzlich verlassen; die Türen werden von den letzten Knaben geschlossen. In immer weiterer Ferne verhallt der Gesang)
Treulich bewacht bleibet zurück,
wo euch der Segen der Liebe bewahr'!
Siegreicher Mut, Minne und Glück
eint euch in Treue zum seligsten Paar.

(Elsa ist, als die Züge das Gemach verlassen haben; wie überselig Lohengrin an die Brust gesunken. Lohengrin setzt sich, während der Gesang verhallt, auf dem Ruhebett am Erkerfenster nieder, indem er Elsa sanft nach sich zieht)

Lohengrin
Das süße Lied verhallt; wir sind allein,
zum erstenmal allein, seit wir uns sahn.
Nun sollen wir der Welt entronnen sein,
kein Lauscher darf des Herzens Grüßen nahn.
Elsa, mein Weib! Du süße, reine Braut!
Ob glücklich du, das sei mir jetzt vertraut!

Elsa
Wie wär' ich kalt, mich glücklich nur zu nennen,
besitz' ich aller Himmel Seligkeit!
Fühl' ich zu dir so süß mein Herz entbrennen,
atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht;
fühl' ich zu dir so süß mich entbrennen,
atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht!

Lohengrin
Vermagst du, Holde, glücklich dich zu nennen,
gibst du auch mir des Himmels Seligkeit!
Fühl' ich zu dir so süß mein Herz entbrennen,
atme ich Wonne, die nur Gott verleiht;
fühl' ich so süß usw.

Elsa
Fühl' ich so süß usw.

Lohengrin
Wie hehr erkenn' ich unsrer Liebe Wesen!
Die nie sich sahn, wir hatten uns geahnt;
war ich zu deinem Streiter auserlesen,
hat Liebe mir zu dir den Weg gebahnt:
Dein Auge sagte mir dich rein von Schuld -
mich zwang dein Blick, zu dienen deiner Huld.

Elsa
Doch ich zuvor schon hatte dich gesehen,
in sel'gem Traume warst du mir genaht;
als ich nun wachend dich sah vor mir stehen,
erkannt' ich, daß du kamst auf Gottes Rat.
Da wollte ich vor deinem Blick zerfließen,
gleich einem Bach umwinden deinen Schritt,
als eine Blume, duftend auf der Wiesen,
wollt' ich entzückt mich beugen deinem Tritt.
Ist dies nur Liebe? Wie soll ich es nennen,
dies Wort, so unaussprechlich wonnevoll,
wie ach! dein Name - den ich nie darf kennen,
bei dem ich nie mein Höchstes nennen soll!

Lohengrin
Elsa!

Elsa
Wie süß mein Name deinem Mund entgleitet!
Gönnst du des deinen holden Klang mir nicht?
Nur, wenn zur Liebesstille wir geleitet,
sollst du gestatten, daß mein Mund ihn spricht.

Lohengrin
Mein süßes Weib!

Elsa
Einsam, wenn niemand wacht;
nie sei der Welt er zu Gehör gebracht!

Lohengrin
(sie freundlich umfassend und durch das offene Fenster auf den Blumengarten deutend)
Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?
O wie so hold berauschen sie den Sinn!
Geheimnisvoll sie nahen durch die Lüfte,
fraglos geb' ihrem Zauber ich mich hin.
So ist der Zauber, der mich dir verbunden,
da als ich zuerst, du Süße, dich ersah;
nicht deine Art ich brauchte zu erkunden,
dich sah mein Aug' - mein Herz begriff dich da.
Wie mir die Düfte hold den Sinn berücken,
nahn sie mir gleich aus rätselvoller Nacht:
So deine Reine mußte mich entzücken,
traf ich dich auch in schwerer Schuld Verdacht.

Elsa
(birgt ihre Beschämung, indem sie sich demütig an ihn schmiegt)
Ach, könnt' ich deiner wert erscheinen,
müßt' ich vor dir nicht bloß vergehn;
könnt' ein Verdienst mich dir vereinen,
dürft' ich in Pein für dich mich sehn!
Wie du mich trafst vor schwerer Klage,
o wüßte ich auch dich in Not;
daß mutvoll ich ein Mühen trage,
kennt' ich ein Sorgen, das dir droht!
Wär' das Geheimnis so geartet,
das aller Welt verschweigt dein Mund?
Vielleicht, daß Unheil dich erwartet,
würd' aller Welt es offen kund?
Wär' es so und dürft' ich's wissen,
dürft' ich in meiner Macht es sehn,
durch keines Drohn sei mir's entrissen,
für dich wollt' ich zu Tode gehn!

Lohengrin
Geliebte!

Elsa
O mach mich stolz durch dein Vertrauen,
daß ich in Unwert nicht vergeh'!
Laß dein Geheimnis mich erschauen,
daß, wer du bist, ich offen seh'!

Lohengrin
Ach, schweige, Elsa!

Elsa
Meiner Treue
enthülle deines Adels Wert!
Woher du kamst, sag ohne Reue -
durch mich sei Schweigens Kraft bewährt!

Lohengrin
(streng und ernst einige Schritte zurücktretend)
Höchstes Vertraun hast du mir schon zu danken,
da deinem Schwur ich Glauben gern gewährt;
wirst nimmer du vor dem Gebote wanken,
hoch über alle Fraun dünkst du mich wert!

(Er wendet sich schnell wieder liebevoll zu Elsa)
An meine Brust, du Süße, Reine!
Sei meines Herzens Glühen nah,
daß mich dein Auge sanft bescheine,
in dem ich all mein Glück ersah!
O gönne mir, daß mit Entzücken
ich deinen Atem sauge ein:
Laß fest, ach! fest an mich dich drücken,
daß ich in dir mög' glücklich sein!
Dein Lieben muß mir hoch entgelten
für das, was ich um dich verließ;
kein Los in Gottes weiten Welten
wohl edler als das meine hieß.
Böt' mir der König seine Krone,
ich dürfte sie mit Recht verschmähn.
Das einz'ge, was mein Opfer lohne,
muß ich in deiner Lieb' ersehn!
Drum wolle stets den Zweifel meiden,
dein Lieben sei mein stolz Gewähr!
Denn nicht komm' ich aus Nacht und Leiden,
aus Glanz und Wonne komm' ich her!

Elsa
Hilf Gott, was muß ich hören!
Welch Zeugnis gab dein Mund!
Du wolltest mich betören,
nun wird mir Jammer kund!
Das Los, dem du entronnen,
es war dein höchstes Glück;
du kamst zu mir aus Wonnen
und sehnest dich zurück!
Wie soll ich Ärmste glauben,
dir g'nüge meine Treu'?
Ein Tag wird dich mir rauben
durch deiner Liebe Reu'!

Lohengrin
Halt ein, dich so zu quälen!

Elsa
Was quälest du mich doch!
Soll ich die Tage zählen,
die du mir bleibest noch?
In Sorg' um dein Verweilen
verblüht die Wange mir -
dann wirst du mir enteilen,
im Elend bleib' ich hier!

Lohengrin
Nie soll dein Reiz entschwinden,
bleibst du von Zweifel rein!

Elsa
Ach, dich an mich zu binden,
wie sollt' ich mächtig sein?
Voll Zauber ist dein Wesen,
durch Wunder kamst du her;
wie sollt' ich da genesen,
wo fänd' ich dein' Gewähr?

(Sie schreckt in heftigster Aufregung zusammen und hält an, wie um zu lauschen)
Hörtest du nichts? Vernahmest du kein Kommen?

Lohengrin
Elsa!

Elsa
Ach nein!

(Vor sich hinstarrend)
Doch, dort - der Schwan - der Schwan!
Dort kommt er auf der Wasserflut geschwommen -
du rufest ihm - er zieht herbei den Kahn!

Lohengrin
Elsa! Halt ein! Beruh'ge deinen Wahn!

Elsa
Nichts kann mir Ruhe geben,
dem Wahn mich nichts entreißt,
als - gelt' es auch mein Leben -
zu wissen, wer du seist!

Lohengrin
Elsa, was willst du wagen?

Elsa
Unselig holder Mann,
hör, was ich dich muß fragen!
Den Namen sag mir an!

Lohengrin
Halt ein!

Elsa
Woher der Fahrt!

Lohengrin
Weh dir!

Elsa
Wie deine Art?

Lohengrin
Weh uns, was tatest du!

Elsa
(die vor Lohengrin steht, welcher den Hintergrund im Rücken hat, gewahrt Friedrich und seine vier Genossen, welche mit gezückten Schwertern durch eine hintere Tür hereinbrechen)
Rette dich! Dein Schwert, dein Schwert!

(Sie reicht das am Ruhebett angelegte Schwert hastig Lohengrin, so daß dieser schnell es aus der Scheide, welche sie hält, ziehen kann. Lohengrin streckt Friedrich, welcher nach ihm ausholt, mit einem Streiche tot zu Boden; den entsetzten Edlen entfallen die Schwerter, sie stürzen zu Lohengrins Füßen auf die Knie. Elsa, die sich an Lohengrins Brust geworfen hatte, sinkt ohnmächtig langsam an ihm zu Boden)

Lohengrin
(steht allein aufrecht)
Weh, nun ist all unser Glück dahin!

(Er neigt sich zu Elsa hinab, erhebt sie sanft und lehnt sie auf das Ruhebett)

Elsa
(die Augen aufschlagend)
Allewiger, erbarm dich mein!

(Der Tag ist in allmählichem Anbruche begriffen; die tiefer herabgebrannten Kerzen drohen zu erlöschen. Auf Lohengrins Zeichen erheben sich die vier Edlen)

Lohengrin
Tragt den Erschlagnen vor des Königs Gericht!

(Die Edlen nehmen die Leiche Friedrichs auf und entfernen sich mit ihr durch eine Tür des Hintergrundes. Lohengrin läutet an einem Glockenzuge; vier Frauen treten von links ein)

Lohengrin
(zu den Frauen)
Sie vor den König zu geleiten,
schmückt Elsa, meine süße Frau!
Dort will ich Antwort ihr bereiten,
daß sie des Gatten Art erschau'.

(Er entfernt sich mit traurig feierlicher Haltung durch die Tür rechts. Die Frauen geleiten Elsa, die keiner Bewegung mächtig ist, nach links ab. Der Tag hat langsam begonnen zu grauen; die Kerzen sind verloschen. Wie aus dem Burghofe herauf hört man Heerhörner einen Aufruf blasen)

 
 

Die Aue am Ufer der Schelde, wie im 1. Akt. Glühende Morgenröte, allmählicher Anbruch des vollen Tages.

(Ein Graf mit seinem Heergefolge zieht im Vordergrunde rechts auf, steigt vom Pferde und übergibt dies einem Knechte. Zwei Edelknaben tragen ihm Schild und Speer. Er pflanzt sein Banner auf, sein Heergefolge sammelt sich um dasselbe)

(Während ein zweiter Graf auf die Weise wie der erste einzieht, hört man bereits die Trompeten eines dritten sich nähern)

(Ein dritter Graf zieht mit seinem Heergefolge ebenso ein. Die neuen Scharen sammeln sich um ihre Banner; die Grafen und Edlen begrüßen sich, prüfen und loben ihre Waffen usw)

(Ein vierter Graf zieht mit seinem Gefolge von rechts her ein und stellt sich bis in die Mitte des Hintergrundes auf)

(Als von links die Trompeten des Königs vernommen werden, eilt alles, um sich um die Banner zu ordnen. Der König mit seinem sächsischen Heerbann zieht von links ein)

Alle Männer
(als der König unter der Eiche angelangt ist)
Heil König Heinrich!
König Heinrich Heil!

König Heinrich
Habt Dank, ihr Lieben von Brabant!
Wie fühl' ich stolz mein Herz entbrannt,
find' ich in jedem deutschen Land
so kräftig reichen Heerverband!
Nun soll des Reiches Feind sich nahn,
wir wollen tapfer ihn empfahn:
Aus seinem öden Ost daher
soll er sich nimmer wagen mehr!
Für deutsches Land das deutsche Schwert!
So sei des Reiches Kraft bewährt!

Alle Männer
Für deutsches Land das deutsche Schwert!
So sei des Reiches Kraft bewährt!

Der König
Wo weilt nun der, den Gott gesandt
zum Ruhm, zur Größe von Brabant?

(Ein scheues Gedränge ist entstanden; die vier brabantischen Edlen bringen auf einer Bahre Friedrichs verhüllte Leiche getragen und setzen sie in der Mitte der Bühne nieder. Alles blickt sich unheimlich fragend an)

Die Männer
Was bringen die? Was tun sie kund?
Die Mannen sind's des Telramund!

Der König
Wen führt ihr her? Was soll ich schaun?
Mich faßt bei eurem Anblick Graun!

Die vier Edlen
So will's der Schützer von Brabant;
wer dieser ist, macht er bekannt!

(Elsa, mit großem Gefolge von Frauen, tritt auf und schreitet langsam, wankenden Schrittes in den Vordergrund)

Die Männer
Seht, Elsa naht, die Tugendreiche!
Wie ist ihr Antlitz trüb und bleiche!

Der König
(der Elsa entgegengegangen ist und sie nach einem hohen Sitze, ihm gegenüber, geleitet)
Wie muß ich dich so traurig sehn!
Will dir so nah die Trennung gehn?

(Elsa versucht vor ihm aufzublicken, vermag es aber nicht. Großes Gedränge entsteht im Hintergrunde)

Einige Männer
Macht Platz dem Helden von Brabant!

(Lohengrin, ganz so gewaffnet wie im ersten Akt, tritt ohne Gefolge auf und schreitet feierlich und ernst in den Vordergrund)

Alle Männer
Heil dem Helden von Brabant!
Heil! Heil!

Der König
(hat seinen Platz unter der Eiche wieder eingenommen)
Heil deinem Kommen, teurer Held!
Die du so treulich riefst ins Feld,
die harren dein in Streites Lust,
von dir geführt, des Siegs bewußt.

Die Männer
Wir harren dein in Streites Lust,
von dir geführt, des Siegs bewußt.

Lohengrin
Mein Herr und König, laß dir melden:
Die ich berief, die kühnen Helden,
zum Streit sie führen darf ich nicht!

(Alle drücken höchste Betroffenheit aus)

Der König und die Männer
Hilf Gott!
Welch hartes Wort er spricht!

Die Frauen
Hilf Gott!

Lohengrin
Als Streitgenoß bin ich nicht hergekommen;
als Kläger sei ich jetzt von euch vernommen!

(Er enthüllt Friedrichs Leiche, von deren Anblick sich alle mit Abscheu abwenden)
Zum ersten klage laut ich vor euch allen
und frag' um Spruch nach Recht und Fug:
Da dieser Mann zur Nacht mich überfallen,
sagt, ob ich ihn mit Recht erschlug?

Der König und die Männer
(die Hand feierlich nach der Leiche ausstreckend)
Wie deine Hand ihn schlug auf Erden,
soll dort ihm Gottes Strafe werden!

Lohengrin
Zum andern aber sollt ihr Klage hören,
denn aller Welt nun klag' ich laut,
daß zum Verrat an mir sich ließ betören
das Weib, das Gott mir angetraut!

Die Männer
Elsa! Wie mochte das geschehn?
Wie konntest du dich so vergehn?

Der König
Elsa! Wie konntest du dich so vergehn?

Die Frauen
(mit klagenden Gebärden auf Elsa blickend)
Wehe dir, Elsa!

Lohengrin
Ihr hörtet alle, wie sie mir versprochen,
daß nie sie wollt' erfragen, wer ich bin?
Nun hat sie ihren teuren Schwur gebrochen,
treulosem Rat gab sie ihr Herz dahin!

(Alle drücken die heftigste Erschütterung aus)
Zu lohnen ihres Zweifels wildem Fragen,
sei nun die Antwort länger nicht gespart:
Des Feindes Drängen durft' ich sie versagen,
nun muß ich künden, wie mein Nam' und Art.

(Mit immer steigender Verklärung seiner Mienen)
Jetzt merket wohl, ob ich den Tag muß scheuen:
Vor aller Welt, vor König und vor Reich
enthülle mein Geheimnis ich in Treuen.

(Sich hoch aufrichtend)
So hört, ob ich an Adel euch nicht gleich!

Die Männer
Welch Unerhörtes muß ich nun erfahren?
O könnt' er die erzwungne Kunde sich ersparen!

Der König
Was muß ich nun erfahren?
O könnt' er die Kunde sich ersparen!

Lohengrin
(in feierlicher Verklärung vor sich herblickend)
In fernem Land, unnahbar euren Schritten,
liegt eine Burg, die Montsalvat genannt;
ein lichter Tempel stehet dort inmitten,
so kostbar, als auf Erden nichts bekannt;
drin ein Gefäß von wundertät'gem Segen
wird dort als höchstes Heiligtum bewacht:
Es ward, daß sein der Menschen reinste pflegen,
herab von einer Engelschar gebracht;
alljährlich naht vom Himmel eine Taube,
um neu zu stärken seine Wunderkraft:
Es heißt der Gral, und selig reinster Glaube
erteilt durch ihn sich seiner Ritterschaft.
Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,
den rüstet er mit überird'scher Macht;
an dem ist jedes Bösen Trug verloren,
wenn ihn er sieht, weicht dem des Todes Nacht.
Selbst wer von ihm in ferne Land' entsendet,
zum Streiter für der Tugend Recht ernannt,
dem wird nicht seine heil'ge Kraft entwendet,
bleibt als sein Ritter dort er unerkannt.
So hehrer Art doch ist des Grales Segen,
enthüllt - muß er des Laien Auge fliehn;
des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,
erkennt ihr ihn - dann muß er von euch ziehn.
Nun hört, wie ich verbotner Frage lohne!
Vom Gral ward ich zu euch daher gesandt:
Mein Vater Parzival trägt seine Krone,
sein Ritter ich - bin Lohengrin genannt.

Der König, die Männer und Frauen
Hör' ich so seine höchste Art bewähren,
entbrennt mein Aug' in heil'gen Wonnezähren.

Elsa
(wie vernichtet)
Mir schwankt der Boden! Welche Nacht!
O Luft! Luft der Unglücksel'gen!

(Sie droht umzusinken; Lohengrin faßt sie in seine Arme)

Lohengrin
O Elsa! Was hast du mir angetan!
Als meine Augen dich zuerst ersahn,
zu dir fühlt' ich in Liebe mich entbrannt,
und schnell hatt' ich ein neues Glück erkannt:
Die hehre Macht, die Wunder meiner Art,
die Kraft, die mein Geheimnis mir bewahrt,
wollt' ich dem Dienst des reinsten Herzens weihn:
Was rissest du nun mein Geheimnis ein?
Jetzt muß ich, ach! von dir geschieden sein!

Die Männer und Frauen, der König
Weh! Weh! Weh!

Elsa
Mein Gatte! Nein!
Ich laß dich nicht von hinnen!
Als Zeuge meiner Buße bleibe hier! usw.

Lohengrin
Ich muß, ich muß! mein süßes Weib!

Die Männer und Frauen
Weh!

Elsa
Nicht darfst du meiner bittern Reu' entrinnen,
daß du mich strafest, liege ich vor dir!

Die Frauen
Weh, nun muß er von dir ziehn!

Elsa
Daß du mich strafest, liege ich vor dir!

Lohengrin
Ich muß, ich muß! mein süßes Weib!

Die Männer und Frauen, der König
Weh! Wehe! Mußt du von uns ziehn,
du hehrer, gottgesandter Mann!
Soll uns des Himmels Segen fliehn,
wo fänden dein' wir Tröstung dann?
Weh uns! O bleib!
Soll uns des Himmel Segen fliehn usw.

Elsa
Bist du so göttlich als ich dich erkannt,
sei Gottes Gnade nicht aus dir verbannt!
Büßt sie in Jammer ihre schwere Schuld,
nicht flieh' die Ärmste deiner Nähe Huld!
Verstoß mich nicht, wie groß auch mein Verbrechen!
Verlaß mich, ach! verlaß die Ärmste nicht! usw.

Lohengrin
Schon zürnt der Gral, daß ich ihm ferne bleib'!
Ich muß! Ich muß!
Nur eine Strafe gibt's für dein Vergehn!
Ach! mich, wie dich trifft ihre herbe Pein!
Getrennt, geschieden sollen wir uns sehn:
Dies muß die Strafe, dies die Sühne sein!

(Elsa sinkt mit einem Schrei zurück)

Der König und alle Männer
(Lohengrin ungestüm umdrängend)
O bleib, und zieh uns nicht von dannen!
Des Führers harren deine Mannen!
O bleib usw.

Lohengrin
O König, hör! Ich darf dich nicht geleiten!
Des Grales Ritter, habt ihr ihn erkannt,
wollt' er in Ungehorsam mit euch streiten,
ihm würde alle Manneskraft entwandt!
Doch, großer König, laß mich dir weissagen:
Dir Reinem ist ein großer Sieg verliehn!
Nach Deutschland sollen noch in fernsten Tagen
des Ostens Horden siegreich nimmer ziehn!

(Lebhafte Erregung. Man sieht auf dem Flusse den Schwan mit dem leeren Nachen auf dieselbe Weise wie bei Lohengrins erstem Erscheinen anlangen)

Ein Teil der Männer
(im Hintergrunde)
Der Schwan! Der Schwan! Der Schwan!
Der Schwan! Seht dort ihn wieder nahn!

Die übrigen Männer
(im Vordergrunde, nach hinten gewandt)
Der Schwan! Seht dort ihn wieder nahn!

Die Frauen
(im nächsten Vordergrunde um Elsa)
Der Schwan! Weh, er naht!

Alle Männer
Er naht, der Schwan!

(Der Schwan kommt um die vordere Flußbiegung herum)

Elsa
(aus ihrer Betäubung erweckt, erhebt sich, auf den Sitz gestützt, und blickt nach dem Ufer)
Entsetzlich! Ha, der Schwan!

(Sie verbleibt lange Zeit wie erstarrt in ihrer Stellung)

Lohengrin
Schon sendet nach dem Säumigen der Gral!

(Unter der gespanntesten Erwartung der übrigen tritt er dem Ufer näher und neigt sich zu dem Schwan, ihn wehmütig betrachtend)
Mein lieber Schwan!
Ach, diese letzte, traur'ge Fahrt,
wie gern hätt' ich sie dir erspart!
In einem Jahr, wenn deine Zeit
im Dienst zu Ende sollte gehn -
dann, durch des Grales Macht befreit,
wollt' ich dich anders wieder sehn!

(Er wendet sich im Ausbruch heftigen Schmerzes in den Vordergrund zu Elsa zurück)
O Elsa! Nur ein Jahr an deiner Seite
hatt' ich als Zeuge deines Glücks ersehnt!
Dann kehrte, selig in des Grals Geleite,
dein Bruder wieder, den du tot gewähnt.

(Alle drücken ihre Überraschung aus. Lohengrin überreicht Elsa sein Horn, sein Schwert und seinen Ring)
Kommt er dann heim, wenn ich ihm fern im Leben,
dies Horn, dies Schwert, den Ring sollst du ihm geben.
Dies Horn soll in Gefahr ihm Hilfe schenken,
in wildem Kampf dies Schwert ihm Sieg verleiht;
doch bei dem Ringe soll er mein gedenken,
der einst auch dich aus Schmach und Not befreit!

(Während er Elsa, die keines Ausdrucks mächtig ist, wiederholt küßt)
Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl, mein süßes Weib!
Leb wohl! Mir zürnt der Gral, wenn ich noch bleib!
Leb wohl, leb wohl!

(Elsa hat sich krampfhaft an ihm festgehalten; endlich verläßt sie die Kraft, sie sinkt ihren Frauen in die Arme, denen sie Lohengrin übergibt, wonach dieser schnell dem Ufer zueilt)

Der König, die Männer und Frauen
Weh! Weh! Weh! Du edler, holder Mann!
Welch harte Not tust du uns an!

Ortrud
(tritt im Vordergrunde auf, mit jubelnder Gebärde)
Fahr heim! Fahr heim, du stolzer Helde,
daß jubelnd ich der Törin melde,
wer dich gezogen in dem Kahn!
Am Kettlein, das ich um ihn wand,
ersah ich wohl, wer dieser Schwan:
Es ist der Erbe von Brabant!

Alle
Ha!

Ortrud
(zu Elsa)
Dank, daß den Ritter du vertrieben!
Nun gibt der Schwan ihm Heimgeleit:
Der Held, wär' länger er geblieben,
den Bruder hätt' er auch befreit!

Die Männer
Abscheulich Weib! Ha, welch Verbrechen
hast du in frechem Hohn bekannt!

Die Frauen
Abscheulich Weib!

Ortrud
Erfahrt, wie sich die Götter rächen,
von deren Huld ihr euch gewandt!

(Sie bleibt in wilder Verzückung hoch aufgerichtet stehen)

(Lohengrin, bereits am Ufer angelangt, hat Ortrud genau vernommen und sinkt jetzt zu einem stummen Gebet feierlich auf die Knie. Aller Blicke richten sich in gespannter Erwartung auf ihn hin. Die weiße Gralstaube schwebt über dem Nachen herab. Lohengrin erblickt sie; mit einem dankbaren Blicke springt er auf und löst dem Schwan die Kette, worauf dieser sogleich untertaucht. An seiner Stelle hebt Lohengrin einen schönen Knaben in glänzendem Silbergewande - Gottfried - aus dem Flusse an das Ufer)

Lohengrin
Seht da den Herzog von Brabant!
Zum Führer sei er euch ernannt!

(Ortrud sinkt bei Gottfrieds Anblick zusammen. Lohengrin springt schnell in den Kahn, den die Taube an der Kette gefaßt hat und sogleich fortzieht. Elsa blickt mit letzter freudiger Verklärung auf Gottfried, welcher nach vorn schreitet und sich vor dem König verneigt. Alle betrachten ihn mit seligem Erstaunen, die Brabanter senken sich huldigend vor ihm auf die Knie. Dann eilt Gottfried in Elsas Arme)

Elsa
(nach einer kurzen freudigen Entrückung, wendet hastig den Blick nach dem Ufer, wo sie Lohengrin nicht mehr erblickt)
Mein Gatte! Mein Gatte!

(In der Ferne wird Lohengrin wieder sichtbar; er steht mit gesenktem Haupte traurig auf seinen Schild gelehnt im Nachen)

Elsa
Ach!

Der König, die Männer und Frauen
Weh!

(Elsa gleitet langsam entseelt in Gottfrieds Armen zu Boden. Lohengrin wird immer ferner gesehen)